
Ein Hobby ausmisten? Wenn da nicht das schlechte Gewissen wäre
Hobbies sind was Großartiges. In meiner Arbeit bekomme ich aber auch mit, wenn sich Menschen vor lauter angefangenen Hobbies plötzlich in einer Art Hobby-Vakuum befinden. Da heißt es dann: Hobby ausmisten!
Aber nochmal: Hobbies sind was Großartiges.
Sie befriedigen die Bereiche, die in unserem Beruf vielleicht zu kurz kommen. Sie helfen uns, uns zu entspannen. Durch Hobbies halten wir unsere Neugier und Lernfähigkeit fit. Sie bieten Gesprächsstoff. Unsere sozialen Kontakte werden durch sie vergrößert und vertieft. Wir können auf einem Gebiet große Exptertise bekommen, oder eine bestimmte Fertigkeit immer weiter verbessern. Kurz gesagt:
- Hobbies lassen uns an der Buntheit der Welt teilhaben und
- sind eine großartige Möglichkeit, wie wir uns mit Freude um unsere körperliche und mentale Gesundheit kümmern können.
Ich selbst verbringe meine Zeit außerhalb der Arbeit gerne beim Sport. Alleine. Ich gehe am liebsten alleine laufen. Ziehe meine Bahnen im Schimmbad und mache kurzes und knackiges Muskeltraining.
Tja und das war’s bei mir auch schon mit den Hobbies.
Manchmal denke ich: “Ach, mal wieder anfangen, chinesisch zu lernen, wär doch schön.” Oder: “Singen wäre toll. In einem kleinen Chor.“Oder “Eigentlich könntest Du Dich auch mal wieder ehrenamtlich engagieren.” Und ganz oft denke ich: “Wahnsinn, was XY alles in ihrer Freizeit alles macht.” Vielleicht kommt mal wieder eine Phase, wo ich etwas Neues für mich entdecke. Aber seit ich vor einiger Zeit für mich verstanden habe, dass gewissen Hobbies einfach nicht mehr mein Ding sind, lasse ich mir da jetzt einfach Zeit. Ein Hobby ausmisten ist nämlich nicht so leicht, wie ein neues Hobby anfangen.
Vom Überschwang zum Verdruss: Wann ein Hobby ausmisten unbedingt ratsam ist
Ein neues Hobby starten macht irre viel Spaß. Man ist voller Vorfreude. Aufgeregtes Kribbeln macht sich breit beim Kauf der notwendigen Geräte, Werkzeuge, Materialien und Bücher. Ein Kurs wird gebucht und auf unserer inneren Landkarte entsteht ein neuer kleiner Kontinent, den wir ungeduldig erkunden wollen. Die Anfangseuphorie kann einen fast süchtig machen. (“Häh, was hat das alles mit Ordnung zu tun?” – fragen Sie sich jetzt vielleicht. Ich komme gleich dazu.)

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Und genau hier liegt auch die Hürde. Ist die Anfangseuphorie nämlich mal dahin, stellen wir erste kleine Störungen fest:
- Unsere Fertigkeiten wachsen nicht mehr so schnell wie am Anfang. Wenn Sie schon einmal ein neues Hobby angefangen haben – sei es eine Sprache lernen, etwas Kreatives wie Zeichnen, Up-Cycling, Schnitzen, oder eine neue Sportart – haben Sie diese Erfahrung sicher auch schon gemacht. Am Anfang geht es ab wie eine Rakete. Sie investieren gerne und regelmäßig viel Zeit und haben sehr motivierende Erfolge. Plötzlich aber scheint es nicht so recht weiterzugehen. Die Grammatik wird komplizierter, Ihre Kunsttalent scheint doch nicht soooo ausgeprägt und aus irgendeinem Grund arbeiten Sie schon seit Wochen mit den gleichen Gewichten. Sie sind auf Ihrem ersten Plateau angekommen. Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen: wer das Plateau durchschreitet, darf sich auf den nächsten Anstieg freuen: die Grammatik fluppt plötzlich, diese Schnitztechnik haut hin und endlich arbeiten Sie mit höheren Gewichten.…
.…. bis zum nächsten Plateau. Wenn ich davon schon früher gewusst hätte, ich hätte meine Bemühungen Chinesisch zu lernen nicht aufgegeben.
Viele – einschließlich meiner Person – schmeißen frustriert beim ersten Plateau hin. Weil die Leichtigkeit plötzlich weg ist, die den Spaß bisher ausgemacht hat. Jetzt müsste man sich den Spaß durch Dranbleiben erarbeiten.
Menschen, die einfach Spaß am Tun haben und ihre Befriedigung nicht so sehr von Erfolgen abhängig machen, haben es hier leicht.
Wenn man dieses Plateau-Prinzip mal verstanden hat, kann man übrigens auch umdenken. Die Freude am einfachen Tun erhält uns nicht nur den Spaß, sie ist auch Garant dafür, dass wir besser werden. Das Plateau-Prinzip sagt ja auch aus: wir erreichen zwangsläufig die nächste Lernkurve, wenn wir dranbleiben. Wir können wir es gar nicht verhindern. - Unsere Erwartungen werden nicht erfüllt: Manchmal hilft uns nicht mal die Anfangseuphorie. Kein Spaß weit und breit. Der Weg zum Kurs dauert so lang – es passt einfach nicht in den Familien-Alltag. Im Fitness-Studio nervt die Musik (eine neue Kartei-Leiche. Das Fitness-Studio freut sich!). Der Sprachlehrer bremst die Dauerquatscher nicht ein. Auch hier steht man dann an einer Weggabelung: eine andere Möglichkeit finden, das Hobby zu verfolgen oder doch noch eine Zeit durchbeißen und sehen, was passiert, oder aufhören.
- Das entfremdete Phantasie-Ich. Streng genommen ist das entfremdete Phantasie-Ich eigentlich die Quelle von abgebrochenen Hobbies. Es entspringt einer Phantasie, die mit unserer eigenen Person wenig zu tun hat. Aus meiner Sicht gibt es dafür zwei Gründe:
a) zu viel Fokus nach außen – also Vergleich mit anderen: gerade wenn man sich viel Input durch Social Media oder auch Zeitschriften holt, könnte man eigentlich täglich ein neues Hobby anfangen. Es sieht ja auch wirklich großartig aus, was die Leute in ihren Videos produzieren. Der Onlinekurs-Markt bietet auch zu jedem Thema etwas an (ich überlege gerade einen Zeichenkurs zu machen – bekomme gerade viiiiel Werbung dafür. Ob es an meinen Zeichnungen für den Blog liegt???). Ja und da ist es auch schon, dieses vorfreudige Kribbeln. Ein Klick, der Kurs ist gebucht, das Equipment bestellt.
b) Anfütterung durch Produkte: es reicht ja schon der Blick in den Hofer-Prospekt (bzw. Aldi), oder eine Stippvisite bei Tchibo. Da gibt es Bastel-Sets, Stand-Up Paddel, Sprach-Kurse, Nähmaschinen, Backutensilien.…. Und weil es die ja nur für kurze Zeit gibt, sollte man doch zuschlagen, oder?Anders als bei den ersten beiden Punkten, wo man mit mehr Ausdauer doch noch die Freude am Hobby entdecken kann, ist das entfremdete Phantasie-Ich ein handfester Grund ohne zu zögern zu handeln: Hobby ausmisten!Im Unterschied zum entfremdeten Phantasie-Ich ist das integrierte Phantasie-Ich für unsere Freude und unsere Weiterentwicklung sehr wertvoll und förderlich. Diesem Ich gelingt es in bester Manier die eigenen Bedürfnisse mit Anregungen von außen in Einklang zu bringen. Keine leichte Sache. Deshalb meine Empfehlung: Ideen dürfen erstmal reifen. Und wenn der Hofer die Nähmaschine halt in einer Woche nicht mehr hat, dann gibt es sicher andere Möglichkeiten. Außer natürlich es bricht eine weltweite Nähmaschinen-Krise über uns herein.Das integrierte Phantasie-Ich überschätzt sich auch nicht. Weder zeitlich noch kräftemäßig. Es will wachsen, lernen, die Komfortzone erweitern und neugierig bleiben. Es weiß wieviel Zeit und Energie es dafür zur Verfügung hat.
Nicht genutzt und anklagend jammernd: Hobby-Ausrüstungen
So – und jetzt komm ich auch endlich zur Ordnung. Das Thema tote Hobbies beschäftigt mich bei meiner Arbeit mit KundInnen immer. Nämlich in Form von Ausrüstung, Materialen, Geräten, Büchern, DVDs, Zeitschriftensammlungen etc.
Kommen diese ganzen Dinge zum Vorschein (auch große Geräte wie Heimtrainer lassen sich unter Kleiderbergen gut verstecken), haben sie auch gleich das blöde schlechte Gewissen im Schlepp.
“Ich sollte mal wieder…”
“Wenn es nicht so doof verstaut wäre, würde ich sicher.…”
“Ich müsste nur…”
“Wenn ich mehr Zeit hätte, dann…”
“Das hat damals eine Menge Geld gekostet.…”
Meine KundInnen haben es gar nicht gerne, wenn wir diese Sachen ausgraben. Wir graben ja nicht nur Geräte, Utensilien etc. aus. Sondern auch vergangene Vorstellungen, enttäuschte Erwartungen, mangelnde Ausdauer, Bequemlichkeit, Verschwendung. Nicht sehr angenehm. Ich lasse sie dann erstmal durchatmen und dann machen wir uns an die Arbeit. Dieser Moment ist nämlich auch DIE Gelegenheit, das integrierte Phantasie-Ich endlich vom entfremdeten Phantasie-Ich zu befreien. Damit kann sich auch das schlechte Gewissen gleich mit verabschieden. Falls die Trennung nicht gleich gelingt, empfehle ich, die jeweiligen Hobbies einfach mal wieder zu testen. Den Hoola-Hoop-Reifen zu schwingen; die Meditations-CD einzulegen; ein paar Backrezepte auszuprobieren; die nächsten drei Wochenenden eine Wanderung machen; einen fixen Termin für das Treffen der ehrenamtlichen Nachhilfe im Kalender eintragen; einen Fotospaziergang unternehmen.…
Die vielen ungenutzten Hobby-Utensilien bringen ansonsten außer schlechter Laune gar nichts. Und zwei Dinge lege ich allenen meinen Hobby-Hoppern immer ans Herz:
- für mehr als für 2–3 regelmäßig und mit Freude betriebene Hobbies haben die wenigsten Menschen Zeit.
- lieber ein Hobby wirklich betreiben, als acht in der Phantasie.
Wer als Hobby Hobby-Hopping hat (auch das ist ja möglich), sollte sich das bewusst genauso klar machen und regelmäßig seinen Bestand aussortieren. Also regelmäßig ein Hobby ausmisten.
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Die 9 besten Ordnungsroutinen
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Und übrigens: wir misten nicht aus. Wir machen eine Bestandsaufnahme: des Lebens, der Wünsche und der Bedürfnisse.
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