
Wie Sie Kleidung ausmisten und Erinnerungen behalten
Da ist er wieder, der Satz: “Ich kann mich einfach nicht trennen.” Ja klar. Deshalb bin ich ja hier. Hier bei Ihnen, um Ihnen zu helfen. Denn Sie haben genug von dem Dauerchaos. Sie wollen wissen, wie das geht – sich von Dingen trennen.
Die Angst sich von Dingen zu trennen wird irgendwann sichtbar. Die Dinge werden zuviel für den Platz den man zur Verfügung hat. Sie stapeln sich, verteilen sich auf verschiedene Räume, sorgen für Unruhe und die permantente Ermahnung im Kopf “ich müsste noch aufräumen.”
Das Wort “noch” macht den Unterschied
Neben “Ich habe jetzt nicht aufgeräumt, bevor sie kommen” ist das der Satz, den ich am häufigsten höre: “Ich kann mich einfach nicht trennen.” Am Anfang hat er mich noch eingeschüchtert. Ja, wie soll ich denn helfen, wenn jemand Angst hat sich zu trennen?
Inzwischen habe ich schon zu oft erlebt, dass die Angst vor der Angst viel größer ist. Der Trennungsschmerz kleiner als gedacht und vor allem: vergänglich. Deshalb sage ich heute “Ja ich weiß. Aber ab jetzt sagen Sie ‘ich kann das noch nicht.’ Denn ab heute lernen Sie, es immer besser und besser zu können.”
Kleidung ausmisten und Bücher – da steckt soviel von einem selbst drin
Kleidung und Bücher sind oft zäh. Da heißt es dann “Bücher geb ich nicht her” oder “Kleidung hab ich eh erst ausgemistet”. Wenn ich dann die Kleiderhaufen und die überquellenden Kleiderschränke sehe, ahne ich bereits, dass hier noch ganz viel Angst vor Trennungsschmerz ist.
Aber Trennungsschmerz wovon? Oft ist es die Reue um das viele Geld. Oder der Abschied vom schlankeren Selbst. Am schwersten ist es aber, sich von Erinnerungen zu trennen. Dann geht es manchmal auch gar nicht um die eigene Kleidung. Sondern die Kleidung der Kinder, oder der Oma, oder des Vaters oder der Mutter.
Sobald man den Babybody in Händen hält, sieht man wieder das eigene Kind vor sich. Spürt und riecht den Babykörper.
Omas Dirndlbluse beamt einen in Omas Küche. Man hört ihre Stimme und spürt ihre Hand fest um die eigene geschlossen. Die Freude auf den gemeinsamen Spaziergang wird wach.
Papas Jacket, das man als cooler Teenager getragen hat? Es ist, als ob der Vater direkt vor einem stüde.
Die große Angst: wenn ich diese Sachen nicht mehr habe, sind auch die Erinnerungen fort.
Kleiderschrank-Makeover
Machen Sie aus Ihrem Kleiderschrank eine Schatzkiste. Mein Motto “Vom Wühlen zum Wählen”.
- Erstellen Sie sich einen zielgerichteten UND machbaren Ablaufplan
- lernen Sie mit einfachen Tricks Ihren üblichen Bedenken beim Aussortieren zu durchschauen und hinter sich zu lassen
- strukturieren Sie Ihren Kleiderschrank alltagstauglich
- verstehen Sie, was hinter Frust- und Fehlkäufen steckt und wie Sie ab jetzt immun dagegen sind
Behandeln Sie Ihre Erinnerungen liebevoll
Das Kuriose ist, dass viele dieser Erinnerungsstücke völlig lieblos in irgendwelche Ecken geknautscht werden. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich sie aus diesen Ecken hole, waren sie bereits vergessen. Die Wucht, mit der die Erinnerungen dann auf meine KundInnen eintrommeln macht Eindruck. Sie sind völlig perplex, über die erwachten Erinnerungen und wollen nur eines: nie wieder vergessen. Deshalb ist es für sie nur logisch, an den Stücken festzuhalten.
Was also tun, wenn man Angst vor dem Vergessen hat, aber auch verzweifelt über das Kleiderchaos ist? Wenn man weiß, Kleidung ausmisten tut not, aber der innere Widerstand ist so mächtig?
Es hilft alles nichts: wir begutachten jedes einzelne Stück. Geht es um Erinnerungen, braucht man nicht 10 Blusen von der Oma. Die Menge macht die Erinnerung nicht lebendiger. Ein Stück ist als Anker ausreichend. Und dem sollte man eine Bühne geben. Damit die Oma regelmäßig Teil des eigenen Tags werden kann. Es muss nichtmal die ganze Bluse sein. Ein Stück Stoff davon so verarbeitet, das man ihn regelmäßig in der Hand hat – und die Oma ist präsent. Tausendmal mehr, als wenn man 10 Blusen in einer Kiste im Keller verstaut.
Applaus für Hemds Up – eingenähte Erinnerungen
Durch Zufall habe ich vor einiger Zeit Hemds Up entdeckt. In dem Berliner Atelier wird aus alten Stoffresten Neues designt. Darunter auch Erinnerungsstücke.
Aus Papas Kravatte wird ein Stiftetui. Aus den Hosen der Kinder ein Kissen. Aus Omas Blusen eine neue Bluse. Aus Opas Anzug ein Kulturbeutel. So vernäht und in alltagstaugliche Form gebracht, kann man die ganze Familie, um sich versammeln.
Ich finde das ist eine wunderbar liebevolle Art, die Erinnerungen an liebe Menschen lebendig zu halten.
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Und übrigens: wir misten nicht aus. Wir machen eine Bestandsaufnahme: des Lebens, der Wünsche und der Bedürfnisse.
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